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Krank im Arbeitsverhältnis- Kündigung?

Ein häufiges Problem im Arbeitsrecht stellen Streitigkeiten rund um das Thema Krankmeldung dar.

So kommt es häufig zu Kündigungen, weil Arbeitnehmer sich nicht rechtzeitig krankgemeldet haben oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) nicht oder verspätet eingereicht haben.

Wie sieht die Rechtslage hierzu aus? Nach § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber unverzüglich seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen. Unverzüglich meint in diesem Fall ohne schuldhaftes Zögern, d.h. im Regelfall noch am selben Tag. Die Meldung muss auch dem Arbeitgeber unmittelbar gegenüber erfolgen. Wenn in Unternehmen E-Mail Korrespondenz üblich ist, kann die erstmalige Krankmeldung grundsätzlich auch auf diesem Wege erfolgen. Nicht ausreichend wäre es insofern, die Krankmeldung einem Kollegen mitzuteilen, sofern dieser keine Personalkompetenz hat. Zu der rechtzeitigen Meldung gehört auch die Angabe über die ungefähre Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Hierbei kann der Arbeitnehmer allerdings naturgemäß nur Vermutungen äußern.

In vielen Arbeitsverhältnissen ist es üblich, ärztliche AU-Bescheinigungen erst ab dem dritten Krankheitstag vorzulegen. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch kürzlich entschieden, dass der Arbeitgeber ohne nähere Begründung eine AU-Bescheinigung bereits ab dem ersten Krankheitstag verlangen kann.

Die rechtzeitige Vorlage einer AU-Bescheinigung ist für den Arbeitnehmer insofern auch wichtig, da er erst nach deren Vorlage Entgeltfortzahlung verlangen kann (§ 7 EntgFortzG). In “kriselnden” Arbeitsverhältnissen wird arbeitgeberseitig gerne behauptet, die AU-Bescheinigung sei nicht oder verspätet eingereicht worden. In solchen Fällen ist es dem Arbeitnehmer anzuraten, die Bescheinigung “nachweisbar” vorzulegen, also etwa durch Einwurfeinschreiben oder persönliche Abgabe, da er die Beweislast hierfür trägt.

Schuldhafte Verstöße der Arbeitnehmer gegen die Verpflichtung zur rechtzeitigen Krankmeldung bzw. zur Einreichung einer AU-Bescheinigung kann der Arbeitgeber grundsätzlich abmahnen. Im Wiederholungsfalle kann nach der Rechtsprechung auch eine verhaltensbedingte Kündigung, gegebenenfalls auch fristlos, ausgesprochen werden. Nicht rechtmäßig wäre es hingegen im Regelfall, bei einem einmaligen Verstoß eine Kündigung auszusprechen.

Was ist aber, wenn Arbeitnehmer im Falle einer Erkrankung krankheitsbeding6t gekündigt werden?

In Kleinbetrieben unter 10 Mitarbeitern kann im Regelfall jederzeit ohne Angaben von Gründen unter Beachtung der Kündigungsfrist gekündigt werden. Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (mehr als 10 Arbeitnehmer) müssen folgende Voraussetzungen für eine Krankheitskündigung gegeben sein:

  1. Es müssen zum Zeit­punkt der Kündi­gung Tat­sa­chen vor­lie­gen, die die Pro­gno­se wei­te­rer Er­kran­kun­gen des Ar­beit­neh­mers in dem bis­he­ri­gen Um­fang recht­fer­ti­gen.
  2. Es muss fest­ste­hen, dass die zu er­war­ten­den Fehl­zei­ten des Ar­beit­neh­mers zu ei­ner er­heb­li­chen Be­ein­träch­ti­gung der be­trieb­li­chen oder wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers führen (z.B. hohe Lohnfortzahlung, Störung der Abläufe).
  3. Sch­ließlich muss ei­ne In­ter­es­sen­abwägung vor­ge­nom­men wer­den (z. B. Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit.

Eine vorherige Abmahnung ist nicht erforderlich. Insbesondere bei Langzeiterkrankungen kann aber die vergebliche Durchführung eines sog. Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) durch den Arbeitgeber erforderlich sein. Der Arbeitnehmer muss an einer solchen Maßnahme jedoch nicht mitwirken.

Bei häufigen Kurzerkrankungen muss der Arbeitgeber auch von wei­te­ren häufi­gen Kurz­er­kran­kun­gen in der Zu­kunft aus­gehen können. Weil der Ar­beit­ge­ber die Ur­sa­chen der Kurz­er­kran­kun­gen zum Zeit­punkt der Kündi­gung zu­meist nicht kennt, darf er nach der Recht­spre­chung durchaus da­von aus­ge­hen, dass ein Ar­beit­neh­mer, der über ei­nen Zeit­raum von drei Jah­ren vor Aus­spruch der Kündi­gung auf­grund von Kurz­er­kran­kun­gen ins­ge­samt mehr als sechs Wo­chen pro Jahr ar­beits­unfähig krank war, auch wei­ter­hin oft krank sein wird.

Bei langanhaltenden Erkrankungen muss der Ar­beit­neh­mer zum Zeit­punkt der Kündi­gung be­reits mehrere Wochen oder Monate ar­beits­unfähig er­krankt sein und dies muss zum Zeit­punkt der Kündi­gung für voraussichtlich länge­re oder für nicht ab­seh­ba­re Zeit an­dau­ern. Wie lange der Ausfall dauern kann, ist Frage des Einzelfalls. Nach der Rechtsprechung des Bun­des­ar­beits­ge­richt ist dies jedenfalls dann der Fall, wenn aus­weis­lich ärzt­li­cher Gut­ach­ten mit ei­ner Ge­ne­sung in den nächs­ten 24 Mo­na­ten nach Aus­spruch der Kündi­gung nicht zu rech­nen ist.

Arbeitnehmer sind in der Regel erst im Rahmen eines Gerichtsverfahrens verpflichtet, Angaben zu ihren Erkrankungen zu machen. Der Arbeitgeber trägt trotzdem die volle Beweislast für das Vorliegen einer Erkrankung und deren Zukunftsprognose, was für ihn häufig nicht einfach ist. Schon aus diesem Grunde ist es ratsam, im Fall einer krankheitsbedingten Kündigung innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist beim Arbeitsgericht gegen eine solche Kündigung vorzugehen.

Arbeitsrecht: Wann habe ich einen Anspruch auf Abfindung?

Wenn mich Mandanten aufsuchen, die eine Kündigung erhalten haben, fragen viele, wie hoch denn ihr Abfindungsanspruch eigentlich sei.

Aber ist das wirklich so? Habe ich als Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung einen verbrieften Anspruch auf eine Abfindung? Die Antwort lautet: in den meisten Fällen eigentlich nicht.

Anders als in anderen europäischen Ländern ist die Abfindung für den Verlust eines Arbeitsplatzes in Deutschland nur in wenigen Fällen ausdrücklich gesetzlich geregelt. Der eine Fall ist, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigung erhält und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer noch im Kündigungsschreiben (wichtig!) für den Fall der Nichterhebung einer Klage gegen die Kündigung eine Abfindung in Höhe eines halben Bruttogehaltes pro Jahr der Beschäftigung anbietet (vgl. § 1 a Kündigungsschutzgesetz). Der andere – in der Praxis seltene – Fall , liegt dann vor, wenn das Arbeitsgericht im Rahmen einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers auf Antrag einer Prozesspartei das Arbeitsverhältnis durch Urteil gegen Abfindung auflöst, weil die Fortsetzung unzumutbar oder unzweckmäßig ist (§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz).

Beide Varianten setzen überdies voraus, dass das Kündigungsschutzgesetz überhaupt anwendbar ist. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn der Arbeitnehmer in einem Betrieb beschäftigt wird, der regelmäßig mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt und wenn das Arbeitsverhätlnis länger als ein halbes Jahr besteht.

Ebenfalls kann ein Abfindungsanspruch dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert und beispielsweise ein für den Betrieb geltender, mit dem Betriebsrat vereinbarter Sozialplan oder ein für ihn geltender Tarifvertrag eine entsprechende Abfindung vorsieht. Dann ergibt sich der Abfindungsanspruch unmittelbar aus dem Sozialplan bzw. dem Tarifvertrag. Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall übrigens regelmäßig nicht auf die Abfindungshöhe des Sozialplans beschränkt, sondern kann versuchen, mittels einer Kündigungsschutzklage eine höhere Abfindung zu erstreiten.

In den meisten anderen Fällen besteht häufig kein Abfindungsanspruch. Der Arbeitnehmer muss dann versuchen, mit seinem Arbeitsgeber im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses oder außergerichtlich nach Ausspruch einer Kündigung eine Abfindungszahlung zu vereinbaren, wenn er eine Abfindung erhalten möchte.

Den Hebel hierzu bietet die spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung oder Fristablauf des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitsgericht zu erhebende Kündigungsschutzklage (bzw. bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Entfristungsklage). Mit einer solchen kann der Arbeitnehmer ggf. feststellen lassen, dass die Kündigung oder Befristung eines Arbeitsverhältnisses unrechtmäßig war. Eine rechtswidrige Kündigung kann dem Arbeitnehmer außerdem einen Weiterbeschäftigungsanspruch vermitteln. Da der Arbeitgeber in vielen Fällen häufig kein Interesse daran hat, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, kann er sich in solchen Fällen von der Weiterbeschäftigung “freikaufen“, indem er dem Arbeitnehmer eine Abfindungszahlung anbietet. Der Arbeitnehmer ist allerdings nicht verpflichtet, ein solches Abfindungsangebot auch tatsächlich anzunehmen. Er kann auch versuchen, seinen Weiterbeschäftigungsanspruch durchzusetzen, was häufig allerdings als nicht unbedingt erstrebenswert angesehen wird.

Wie hoch ist denn eine solche Abfindung? Feste Werte gibt es hierzu nicht. In der Praxis hat sich herausgebildet, in durchschnittlich gelagerten Fällen mit ungewissem Prozessausgang eine Abfindung in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung zu zahlen. In einigen Branchen kann es auch üblich sein, mehr (z. B. Banken) oder weniger (z. B. Bau) hohe Abfindungsbeträge zu vereinbaren. Tatsächlich wird die Höhe der Abfindung neben der Gehaltshöhe und der Dauer des Arbeitsverhältnisses allerdings in erster Linie durch die Erfolgsaussichten im Kündigungsschutzprozess, dessen mögliche Dauer (Stichwort: Verzugslohnrisiko des Arbeitgebers), die noch zu erwartende Arbeitsvertragslaufzeit, den Kündigungsgrund (bei betriebsbedingten Kündigungen ist die Abfindung im Verhältnis häufig höher, als bei verhaltensbedingten oder krankheitsbedingten Kündigungen) und die “Schmerzgrenze” des Arbeitgebers bestimmt. Hier ist also entweder Ihr Verhandlungsgeschick oder das Ihres Anwaltes gefragt. Einen “festen” Abfindungsanspruch in einer bestimmten Höhe hat man also meistens nicht, sondern man muss ihn sich erstreiten und aushandeln.

Schlechte Karten haben hierbei allerdings Arbeitnehmer in Kleinbetrieben (weniger als zehn Mitarbeiter), auch wenn das Arbeitsverhältnis mitunter viele Jahre bereits besteht. Für diese wird es nur in wenigen Fällen eine Chance auf eine Abfindung geben, weil für diese das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt.

 

Eckart Johlige, Fachanwalt für Arbeits- und Verwaltungsrecht